Illustration: Noa Snir

Justine Siege­mund

Hebamme und Fachautorin, 1636–1705
auch: Justina Siegmund oder Justine Siegemundin

FrauenOrt in Frankfurt/Oder

Mutig, fachkundig und unbeirrbar. Die Hebamme Justine Siegemund kannte sich aus mit schwierigen Geburten. Sie arbeitete bei Hofe, reiste durch Europa und schrieb das erste deutsche Lehrbuch für Hebammen.

Justine Siegemund

Justine wurde 1636 in einer Pfarrersfamilie in Schlesien geboren und heiratete mit 20 Jahren den Finanzverwalter Siegmund. Wenig später wurde sie irrtümlich für schwanger gehalten. Über mehrere Tage sollen verschiedene Hebammen, damals Wehemütter genannt, versucht haben, sie zu „entbinden“. Nur dass sie eben kein Kind im Bauch hatte, sondern wohl eher an einem Geschwür litt.

Später beschrieb Justine, sie sei 14 Tage gequält und auf der Marterbank gehalten worden. Das verstörende Erlebnis wurde für die junge Frau zum Auslöser, sich selbst der Geburtshilfe zuzuwenden.

Hebamme

Justine Siegemund eignete sich über mehrere Jahre Wissen und Erfahrungen in der Geburtshilfe und Frauenheilkunde an. Sie stand einfachen Frauen bei Geburten zur Seite, lernte von anderen Hebammen, möglicherweise aus Büchern und sicherlich auch von Tieren.

Mit 34 Jahren wurde sie Stadt-Wehemutter in Liegnitz (heute Legnica). Der Herzogin Luise von Anhalt-Dessau rettete sie durch die Entfernung eines Gebärmuttergeschwürs das Leben. 1683 rief sie der Große Kurfürst als „Chur-Brandenburgische Hof-Wehemutter“ nach Berlin. Von dort wurde sie auch an befreundete Höfe geschickt und reiste unter anderem bis in die Niederlande.

Fachautorin

Justine Siegemund schrieb eines der frühsten und meistgelesenen Hebammen-Lehrbücher auf Deutsch. Nachdem die Medizinische Fakultät der Viadrina in Frankfurt/Oder das Manuskript gebilligt hatte, erschien die erste Auflage 1690. Im Dialog zwischen Lehrerin und Schülerin werden darin viele schwierige Geburtssituationen beschrieben, aber auch Operationsmethoden bei gynäkologischen Erkrankungen. Zahlreiche Kupferstiche (1) machen die Inhalte anschaulich und nachvollziehbar. Das Buch wurde ins Niederländische übersetzt, die deutsche Ausgabe wurde bis 1756 mehrmals wiederaufgelegt.

„Solchergestalt ist dieses Buch / das lange / wie in einer Geburt gestecket / ans Liecht gekommen / und sol / weil ich keine Kinder zur Welt gebohren / das seyn / was ich der Welt hinterlasse“

Justine Siegemund (2)

Spätere Ausgaben wurden von Ärzten mit Ergänzungen und Vorworten versehen, andere Mediziner verunglimpften das Werk oder schrieben davon ab, ohne eine Quelle zu nennen. Und während Justine Siegemund das praktische Wissen über Geburten und Frauenkörper verschriftlichte, grenzte sie sich zugleich stark von anderen Hebammen ab, die Trägerinnen dieses praktischen Wissens waren.

Auf jeden Fall war das Lehrbuch eine Erfolgsgeschichte – etwa ein Jahrhundert lang diente es als Standardwerk der Hebammenlehre, noch heute ist ihr Name unter Hebammen bekannt.


Frauenort & Tafel Justine Siegemund in Frankfurt/Oder

15230 Frankfurt/Oder, Ort der wissenschaftlichen „Billigung“ ihres Lehrbuchs der Geburtshilfe

52.34175°N, 14.55431°E / Google Maps / OpenStreetMap

Weiterführende Links, Literatur & Podcast

rbb-Podcast Clever Girls podcast – rebellisch, feministisch, wegweisend

Reformation und Frauen: Justina Siegemund

Starke Frauen: Justine Siegemundin

Downloads

FrauenOrte Tafel von Justine Siegemundin (PDF)


Fußnoten & Quellenangaben

  1. Die Illustrationen haben Regnier de Graaf (1641–1673) and Govard Bidloo (1649–1713) nach Skizzen von Justine Siegemundin ausgeführt. Das Titelbild ist von Samuel Blesendorf. Quelle: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2791243/
  2. J. Siegemund: Die Chur-Brandenburgische Hoff-Wehe-Mutter / Das ist: Ein höchst-nöthiger Unterricht / Von schweren und unrecht-stehenden Geburthen (…) Cölln an der Spree 1690.

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